Zwei Produktionsstandorte miteinander vernetzen
Die Kommissionierfläche ist zu klein. Weitere Filialen kommen noch hinzu. Der Neubau lässt noch einige Zeit auf sich warten. Was tun?
Die Geschwister Martin Mahl und Yvonne Mahl- Sprenzinger führen das Backhaus Mahl in der 4. Generation
Das Backhaus Mahl
Vor mehr als 100 Jahren gründete der Urgroßvater der heutigen Inhaber, August Mahl, die gleichnamige Bäckerei / Konditorei mit einem Café in Stetten am kalten Markt.
Das heutige Credo der Familie Mahl kann man auf der Internetseite des Backhaus Mahl nachlesen.
Unser Wenn ohne Aber.
Wenn Backen noch echte Handarbeit ist, weil Maschinen nur das machen dürfen, was die Hand nicht besser kann. Wenn jedes Produkt ein Einzelstück ist, da alles noch selbst hergestellt wird. Wenn das, wonach es schmeckt, auch wirklich drin ist. Wenn fertige Backmischungen und zugekaufte Teiglinge genauso unerwünscht sind wie Konservierungsstoffe, Reifungshilfen, künstliche Aromen und Geschmacksverstärker. Wenn der Bäcker genau weiß, was alles in seinen Produkten steckt und es auch gerne verrät.
Dann ist es beste Handwerksqualität aus Tradition. Dann ist es das Backhaus Mahl.
Ein ehrliches und attraktives Konzept, das dem Backhaus Mahl zu einem permanenten und gesunden Wachstum verholfen hat.
Zwei Produktionsstandorte miteinander vernetzen
LS 20, die Lagerstraße 20, ist das Mahl-Stammhaus. Hier werden täglich Fein- und Fettgebäck sowie Snack- und Konditoreiprodukte gebacken, belegt und veredelt.
Von den 6 Andockstationen der LS 20 starten jeden Morgen die 11 Lieferfahrzeuge zu den 49 Filialen auf. Die Ladezeiten sind eng getaktet, weil jede Andockstation mehrfach nacheinander Schlag auf Schlag genutzt wird. An einem separaten Tor dockt der Shuttle LKW ständig an, der aus der Lagerstraße 18 (LS 18) Brot, halbgebackene Brötchen und TK Ware heranbringt.
Das Projekt
In einem eintägigen Kick Off Workshop in der toolbox-eigenen Bäckerei 4.0 beschrieben die Teilnehmer aus dem Backhaus Mahl, Johannes Nagel (Qualitäts- und Prozessbeauftragter), Alexander Klemm (Versandleitung) und Manfred Beck (Leiter Fuhrpark und IT) die Probleme in der Intralogistik der Bäckerei.
Moderiert vom toolbox Projektteam wurde die Aufgabenstellung konkretisiert und die Projektziele definiert.
Bei allen toolbox Optimierungsprojekten
begleitet das toolbox Team, das bereits den Kick-Off Workshop geleitet hat, das gesamte Projekt bis zur Implementierung und Inbetriebnahme.
1. Platz sparen in LS 20
Die Kommissionier- und Bereitstellungsfläche reichte beim Backhaus Mahl schon seit geraumer Zeit nicht mehr, um die ständig gewachsenen Mengen verteilen zu können. Und dennoch ging es irgendwie immer. An den starken Wochentagen und ganz besonders an den hohen und umsatzstarken Feiertagen im Jahr kamen die Versandmitarbeiter und Fahrer mehr und mehr an ihre Grenzen.
Die Aufgabe mit der höchsten Priorität:
Auf der bestehenden Versandfläche die Kommissionierung und Belieferung von mindestens fünf weiteren starken Filialen zu ermöglichen.
2. Schnellere Kommissionierung – schnellere Beladung – kürzere Andockzeiten
Die zweite Welle der Lieferfahrzeuge kann an den Rampen und Toren erst dann andocken, wenn die erste Fahrzeug-Welle abgedockt hat und auf dem Weg zu ihren Filialen ist.
Die jeweilige Rampe ist für jedes Fahrzeug und jede Tour fix vorgegeben, damit die Wege vom Kommissionierplatz zum Fahrzeug so kurz wie möglich sind und unnötige Querwege bei der Verladung vollkommen ausgeschlossen werden.
3. Verteilfehler reduzieren
Auf den Kommissionierplätzen für die Filialen wächst die Anzahl der Korbstapel innerhalb kurzer Zeit direkt nach dem Start der Kommissionierung. Die Gänge und Laufwege werden schmaler und schmaler. Der Zeitdruck auf das Personal in der Verteilung steigt nahezu minütlich und die Verteilfehler ebenfalls.
In dieser herausfordernden Zeit gleichzeitig noch neues Personal vernünftig anzulernen und einzuarbeiten, stellt eine geradezu unlösbare Aufgabe dar.
Ein optimierter Intralogistik- und Kommissionierprozess sollte deshalb so strukturiert und organisiert werden, dass dieser auch von neuem Personal schnell gelernt und sicher durchgeführt werden kann; und selbst dann, wenn die „Neuen“ noch keine Produktkenntnisse besitzen.
4. Datenfluss vor Warenfluss
Die Aufgabe: Die Mitarbeiter in der Endverteilung müssen so früh wie möglich darüber informiert werden, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt noch Ware „kommt“ oder ob es eine Fehlmenge geben wird und nicht alle Fachgeschäfte komplett bedient werden können. Gerade dieser Informationsfluss muss deshalb unbedingt geleistet werden, weil die Produkte aus zwei Produktionsstandorten an eine Distribution geliefert werden. Dabei müssen immer alle Produkte berücksichtigt werden: die Produkte, die in LS 18 gerade ausgebacken werden, die Backwaren, die sich schon auf dem Shuttle LKW befinden und die Ware, die zur gleichen Minute kommissioniert wird.
5. Die Quadratur des Kreises
Die Umsetzung der Ziele 1 bis 4 nach einer konventionellen Organisation wäre einer erfolgreichen Quadratur des Kreises gleichgekommen. Also unmöglich! Tätigkeiten von LS 20 nach LS 18 zu verlagern, funktionierte nicht, weil es weder hüben wie drüben genügend Fläche gab.
Also stellte sich die Anforderung: Welche Aufgaben können ersatzlos entfallen? Wie kann das funktionieren, wenn man die Kommissionierung gleichzeitig auch noch störungsarm und fehlerfreier organisieren möchte?
Das Ergebnis
Die Ausgangssituation aller Prozessoptimierungen
der vergangenen Jahre war fast immer gleich:
Vollkommen egal in welcher Organisation, also auch einer Bäckerei – kein langjähriger „Insider“ kann sich davon freisprechen, Ursache und Wirkung von Problemsituationen bei einer anstehenden Prozessoptimierung miteinander zu verwechseln. Das Stichwort „Betriebsblindheit“ kennt jeder, der schon einmal in einem Optimierungsprojekt involviert war.
1. Die Prozess-Analyse
LS 18 und LS 20: In drei Nächten analysierte das toolbox Projektteam an beiden Standorten jeden einzelnen noch so kurzen Prozessschritt:
Welche Fläche wird zu welcher Uhrzeit wie und in welchem Maß genutzt?
Wann genau wird Brot aus dem MIWE Etagenofen ausgebacken?
Wie genau werden die Brötchen im halbgebackenen
Zustand aus den MIWE Stikkenöfen ausgebacken und in die Körbe gepackt?
Wie arbeiten die alten Hasen in der Kommissionierung,
um Lücken im System durch individuelle „Tricks“ zu kompensieren und sich das Leben dadurch etwas leichter zu machen?
Die schriftliche Dokumentation wurde veranschaulicht durch hunderte Fotos und in Summe stundenlanger Videos.
2. Ursache und Wirkung
Zwei lange und anstrengende Tage nahm der Implementierungsworkshop in der Bäckerei 4.0 in Anspruch. Die Gruppe stelle sich bei jedem einzelnen Detail die immergleiche Frage:
Könnte ein spezieller Prozessschritt ersatzlos entfallen, wenn im vorherigen Schritt anders verfahren worden wäre?
Wie gestalten wir den vorherigen Prozessschritt, damit selbst dieser nicht zu einem erhöhten Aufwand führt, sondern sogar ressourcenschonend und schneller durchgeführt werden kann?
Wie kann jeder einzelne Prozessschritt verbessert werden, damit selbst neuen Mitarbeitern die Umsetzung erleichtert und vereinfacht werden kann?
3. 8 Wochen bis zu Inbetriebnahme
Die beiden Mahl-Verantwortlichen, Johannes Nagel und Alexander Klemm, spielten die optimierten Prozesse in den Wochen bis zur Inbetriebnahme immer wieder mit ihrem Team durch und besprachen und vertieften die Ergebnisse in wöchentlich stattfindenden Videokonferenzen mit dem toolbox Projektteam. Dabei änderte sich zwar an der eigentlichen Struktur der Prozesse nichts mehr; Finetuning erbrachte trotzdem einige weitere Vorteile für das Backhaus Mahl.
4. Die erfolgreiche Inbetriebnahme – Vorverteilung / Vorerfassung im System lena
LS 18 wurde an das neue lena System angebunden. Jetzt wird bereits beim Abschütten der halbgebackenen Brötchen und beim Abpacken der Brote in Körbe eine stückgenaue Erfassung der produzierten Backwaren durchgeführt, also „lange“ bevor die Ware in der Kommissionierung in LS 20 eintrifft.
Die Ware, die aus LS 18 in LS 20 ankommt, wird auch nicht mehr im System Bildschirm ausgewählt. Heute wird nur noch der Barcode, der am Korbstapel befestigt ist, mit einem Handscanner abgescannt und die Ware ohne Unterbrechung auf den Stellplatz gestellt.
Die Produkte, die so verteilt werden, benötigten also weder Anzeige-Displays noch Produktkenntnisse des Personals.
Die gesamte Kommissionierung läuft wesentlich schneller ab und in LS 20 wird weniger Fläche benötigt.
5. Johannes Nagel zum Ablauf und Ergebnis des Optimierungsprojekts
„Wir bei Mahl setzen schon seit Mai 2005 die toolbox Lösung dispotool erfolgreich ein.
Durch unser ständiges Wachstum in den letzten Jahren mussten wir unsere Kommissionierung erweitern und Anfang 2020 bin ich mit toolbox in Kontakt getreten. Nach der ersten Videokonferenz war ich allerdings erst einmal richtig enttäuscht. So, wie wir uns die Erweiterung vorgestellt hatten, war sie einfach nicht sicher umsetzbar.
Während des Optimierungsprozesses und erst recht heute, 4 Monate nach der Inbetriebnahme, freue ich mich, dass ich trotz meiner ersten Enttäuschung drangeblieben bin. Zu jeder Zeit des Projekts haben wir festgestellt, dass die toolboxer tatsächlich auf handwerkliche Bäckereien spezialisiert sind, den gesamten Prozess des Backhaus Mahl im Blick hatten und uns immer mit den richtigen Fragen konfrontierten.
Heute kann ich aus voller Überzeugung sagen: Wir haben unser Erweiterungs- und Optimierungsziel zu 100 % erreicht.“